Arbeit mit Darstellern vor der Kamera wird von vielen als eine Königsdisziplin des Filmemachens betrachtet. Immerhin ist der hierbei betriebene Aufwand oft besonders hoch. Das Drehbuch ist bindender als etwa bei einem Dokumentarfilm. Darsteller sind wandlungsfähiger als beispielsweise Interviewpartner in einem dokumentarischen Format. Jedoch können die Profis meistens nur so gut sein wie die Regie, die sie führt. Ich habe in den vergangenen Jahren immer wieder gerne mit Darstellern gearbeitet. Ob Erklärfilm für ein geplantes Automobilmuseum mit Außenaufnahmen, Greenscreen und anschließendem Compositing oder Schauspielermonologe (ebenfalls vor Greenscreen) als Einführungsfilme für ein Escape-Room-Projekt der Luthergedenkstätten in Wittenberg oder eine Reihe von Filmen, die ringsum Martin Luthers Auftritt auf dem Reichstag zu Worms 1521 und sein Zwischenquartier in Oppenheim angelegt sind.
Mitunter sind die Darsteller auch keine Profis wie etwa bei den Erklärfilmen für Bildungszwecke. Diese Arbeit mit Darstellern ist herausfordernd und immer wieder auch auf’s neue faszinierend.
Es ist ein historisches Ereignis mit langer Nachwirkung. Als Martin Luther 1521 zum Reichstag nach Worms gerufen wurde, reiste er von Wittenberg über Thüringen und Frankfurt bis er am 15. April am rechten Rheinufer stand, nach Oppenheim übersetzte, wo er seine letzte Nacht vor Worms im Gasthaus „Zur Kanne” verbrachte. Um die Begebenheiten dieser Tage im Frühjahr 1521 an ein Publikum des 21. Jahrhunderts zu vermitteln, stellte ich in den Jahren 2016 bis 2021 eine Serie von Filmen her. Darin auch die Arbeit mit dem Schauspieler Frank Roder.
Eine besondere Art der Arbeit mit Darstellern sind meine beiden Produktionen mit den Marionetten der mehr als 200 Jahre alten Mailänder Puppenspielertruppe Compagnia Marionettistica Carlo Colla&Figli. Das ist Arbeit mit Darstellern gewissermaßen „über Bande” gespielt. Diese besondere Zusammenarbeit führte schließlich zu einem Dokumentarfilmprojekt, das voraussichtlich 2023 abgeschlossen werden wird.
Dann sind da auch die Interviewpartner. Nicht alle, aber der größte Teil sind Laiendarsteller mit all den Unsicherheiten vor der Kamera, fehlenden Routinen, und ja: dem Lampenfieber! Es ist ein Wink der Sprache, wenn es heißt „ein Interview führen”. Sagt das doch, dass der Interviewer derjenige sein muss, der die Interviewten durch das Gespräch führt. Ich nehme diese Aufgabe sehr ernst. Nicht besser wissend, sondern geleitend. Deshalb kann ich ohne Übertreibung sagen, dass ich meine Gesprächspartner durch die Interviews trage. Jeden aus Unsicherheit irrlichternden Blick einfange, Sicherheit vermittle, am Thema bleibe, darauf achte, dass die Sätze gerade, sinn- und kraftvoll in die Mikrofone gesprochen werden. Und dass die Personen nicht bloßgestellt, sondern als sicher und wissend vom Publikum wahrgenommen werden.
Und schließlich sind einige meiner Erklär- und Bildungsfilme ebenfalls Arbeiten mit Darstellern. Diese Darsteller sind immer Laien, nicht selten Kinder. Meine Herangehensweise ist deshalb zunächst, diese Freiwilligen nur dann einzusetzen, wenn ich sicher bin, dass das zur Verbesserung des Films beiträgt und die Amateure dabei nicht bloßgestellt werden. Dafür braucht es einen behutsamen Umgang und eine klare Vorstellung des Leistbaren und eben auch ein Wissen um das Nichtleistbare.
In dieser Balance, die um das Unmögliche weiß, und das Mögliche erreicht, entstehen oft berührende Momente. Ob in einem Porträtfilm oder einem Erklärstück.