Wissenschaft Technologie Wirtschaft

Was haben ein Venezianischer Doge aus dem späten 12. Jahrhundert, ein Kreuzzug übers Mittelmeer und die Formel „Drei Viertel und ein Halb” mit einem Training zur Entscheidungsfindung für McKinsey-Direktoren zu tun? Wieso wurden Tulpenzwiebeln eben noch mit Essig und Öl als (zugegeben schlecht schmeckender) Salat verzehrt und bald darauf zu astronomischen Preisen an der Börse gehandelt? Kann man feststellen, wann die Industrielle Revolution Sujet der Bildenden Kunst wurde? Und wenn ja, dann wann und wo? Aproposito: Was haben die ersten Dampfmaschinen und Stephensons Lokomotive „Rocket” mit Mälzels Metronom und einer enormen Geschwindigkeitssteigerung in der Musik des 19. Jahrhunderts zu tun? Lässt sich die Geschichte des Geldes als eine Kulturgeschichte lesen? Können Märkte rational sein, wenn doch die handelnden Menschen zu allerlei Irrationalitäten neigen?

Wissenschaft, Wirtschaft, Technologie und ihre Geschichte

Spätestens seitdem ich Anfang der 2000er Jahre für Wirtschaftsmagazine und Corporate Publishing zu schreiben begann, verstand ich, dass sich, wenn nicht alle, so doch die meisten Bereiche unseres Lebens als Elemente von Wirtschaft verstehen und beschreiben lassen. Diese Betrachtungsweise ergänzt die Gewissheit, dass Wissenschaft und Technologie die Entwicklung der Gesellschaften vorangetrieben haben. Gerade das Zusammenspiel dieser drei Säulen – Wissenschaft, Technologie, Wirtschaft – trägt zum Verlauf von Geschichte und unserer Gegenwart ebenso bei, beeinflusst das Alltagsleben der Menschen in allen Zeiten, wirkt sich bis in die feinsten Verästelungen bis hin zu Ernährungsgewohnheiten, konfessionellen Bekenntnissen, kulturellen Vorlieben etc. aus. Die Entwicklung von Zivilisation lässt sich freilich nicht aus einem Punkt erklären. Eine strukturierte Betrachtung unter Berücksichtigung von Wirtschaft, Wissenschaft und Technologie und deren feines Wurzelwerk in der Gesellschaft etwa stellt durchaus ein wirkungsvolles Hilfsmittel dar.

Aus dieser Herangehensweise sind zahlreiche Erklärstücke entstanden, deren Tenor immer der ist, das Historische mit seiner Bedeutung in unserem Hier und Jetzt nachvollziehbar und verständlich nutzbar zu machen. Distanz, wo Distanz nötig ist und Brückenschlag, wo die Verbindung ins Heute trägt.

Inspiriert beispielsweise von dem US-amerikanischen Format „Explained” von Vox-Media habe ich in den letzten Jahren selbst zahlreiche Erklärstücke hergestellt und dabei immer darauf geachtet, dass Sujet, Erzählung und Form harmonisch miteinander korrespondieren. Denn ich bin fest davon überzeugt, dass dem heute so häufig beklagten Mangel an Verständnis von Geschichte und den historischen Zusammenhängen von Wissenschaft, Technologie, Wirtschaft sowie der darin eingebetteten menschlichen Mentalität am besten dadurch begegnet wird, indem man diese Faktoren auch mittels moderner audiovisueller Technologien in eine erzählbare und erlebbare Form überträgt. Ein wichtiges Element dabei ist idealerweise, Staunen zu erzeugen. Mit dem Staunen beginnt die Auseinandersetzung des Publikums mit dem Gegenstand. Doch bei allem Respekt vor Aristoteles, der im Staunen den Anfang aller Philosophie zu erkennen meinte: Staunen allein ist es nicht, wenn das, was das Staunen erregt nicht auch berührt. (Es war – wen wundert’s – ein Künstler, der Komponist Francois Couperin – der diese wichtige Ergänzung der aristotelischen Idee machte …)

Infotainment ist möglicherweise nur ein dummes Wort für eine an sich kluge Idee

Entscheidend sind aus meiner Sicht neben dem historischen Verständnis (mitunter auch Mitempfinden), Gespür für Technologie und Wissenschaftstheorie sowie die Fähigkeit, die daraus gewonnenen Informationen audiovisuell umzusetzen ohne die ursprüngliche Epoche zu verraten, aber auch: ohne die gegenwärtigen Betrachter ratlos zurück zu lassen. Dass man eine solche Herangehensweise „Infotainment” nennt, erzeugt oft Naserümpfen. Die Gebildeten unter deren Verächtern verkennen, dass sich hier Möglichkeiten erweitern und nicht – wie sie meinen – verengen. Man muss sich dabei nämlich nicht klein machen.