Prostitution in der DDR

Client: Spiegel TV, ZDF-info
Date: 2020

Worüber noch heute niemand gerne spricht

Es gab Prostitution in der DDR. Punkt. Und das obwohl sich die SED-Oberen nur allzu gern den Anschein von untadeliger moralischer Reinheit verpassen wollten. Im (nach außen hübsch inszenierten) sozialistischen Arbeiter-und-Bauern-Paradies – so behaupteten sie – gab es gar nicht die Ursachen, die Frauen (und Männer) in die Notwendigkeit zwangen, ihre Körper gegen Geld für sexuelle Handlungen zu verkaufen.

Klar, jeder wusste, dass die DDR, so wie sie im „Neuen Deutschland” oder der „Aktuellen Kamera” gezeigt und beschrieben wurde, so nicht existierte. Erstaunlicherweise wird noch heute die überwiegend in Leipzig während der beiden Messen und in Ostberlin ganzjährig betriebene Prostitution gegen Westgeld als eine Art sozialistischer Ausrutscher auf dem gut gebohnerten Moralparkett betrachtet. Eine Art schlechter Herrenwitz.
Wie es genau in Sachen Prostitution in der DDR zuging, dass es ein erhebliches, kaum wahrgenommenes Dunkelfeld von Elendsprostitution gab in der DDR: das ist bis heute kaum bekannt. Auch und wahrscheinlich weil viele der Protagonisten von damals heute noch leben, aus den unterschiedlichsten Gründen ihr Tun von damals verbergen wollen (und schweigen).

Eine Suche nach etwas, das es gar nicht gibt? Nun, so beginnen viele investigative Recherchen. Und immer stehen da welche an der Startlinie, wedeln wild mit den Händen und versuchen vom Blick aufs Ziel abzulenken. Beim Thema Prostitution kommt erschwerend hinzu, dass Scham eine nicht unwichtige Rolle spielt. Wichtige Gespräche zur Vorbereitung des Films kamen nicht zustande, weil betroffene Frauen sich schämten. Und auch: weil die einst staatlichen Organisatoren institutionalisierter Prostitution, heute alte Männer, sich einer Verantwortung für das Getane und Geschehene nicht stellen.

Es gibt nicht viele Dokumentarfilme, die sich dieses Themas angenommen haben. Und von den wenigen gehen die meisten zu wenig auf das gesamte Spektrum der Prostitution in der DDR ein. Oft bleibt der Blick auf den mehr oder weniger glamourösen Valuta-Sektor und den von der Stasi organisierten Honigfallen liegen. Dafür gibt es in der Rückschau oft milde lächelndes Verständnis.
Meine Lesart des Themas berücksichtigt diese „Edelprostitution nach DDR-Zuschnitt” zwar auch, geht aber eben auch auf die wenig glamouröse Elendsprostitution, die abseits der Messen und Interhotels stattfindende Sexarbeit in den Schmuddelecken des Arbeiter- und Bauernparadieses ein.

Was ich bei der Recherche für den Dokumentarfilm „Prostitution in der DDR” in den Akten zu sehen und in den Hintergrundgesprächen zu hören kriegte, war nichts weniger als erschütternd. Da ist zum Einen der bestürzend umfangreiche Grad an moralischer Verwahrlosung der staatlichen Unterstützer der Prostitution in der DDR. Niederträchtigste Erpressungen und Ausbeutungen oft wirklich bedauernswerter Menschen, meistens – aber nicht nur – Frauen überwiegend unterer Gesellschaftsschichten. Da sind aber auch abscheulichste Geldgier, Machtmissbrauch staatlicherseits, aber auch oft im Arbeitsumfeld der Frauen, da sind offener Neid und die Lust, vom Neid getrieben zu denunzieren. Da sind Männer aus dem Westen, die sich in ihrer Geilheit noch als Wohltäter aufspielen. Und da sind stinknormale ostdeutsche Ehemänner, die Abend für Abend in ihren Trabis und Wartburgs und Ladas usf. mit umhäkelter Klopapierrolle in der Hutablage ihre Ehefrauen an der Hauptauffahrt des Leipziger Hotels „Merkur” abkippen und den geilen Wohltätern zuführen.

Das Recherchethema „Prostitution in der DDR” offenbarte in nuce das ganze moralische Elend namens DDR.
Der Film wurde von der Spiegel TV Produktionsgesellschaft für ZDF-info hergestellt.

Ein (fast) unbedeutender Seiteneffekt ist, in diesem Film tauchen zum ersten Mal animierte Fotos aus meiner Werkstatt im Fernsehen auf. Ich habe Archivbilder (vor allem aus den Archiven der BStU), alte Prospekte und Postkarten mittels Photoshop und After Effects sowie durch die Ergänzung von geeignetem Ton „belebt”  und damit der filmischen Erzählung etwas mehr Detailreichtum verleihen können.